ALICE BOMAN

Alice Bomans Stimme erreicht ihr Gegenüber mit einer in emotionale Musik verpackten Direktheit und Zerbrechlichkeit, die nicht versucht, sich wichtig zu machen. Oder, wie es die schwedische Sängerin selbst beschreibt: „Ich denke, meine Musik ist ziemlich einfach. Und mir ist daran gelegen, dass sie möglichst zeitlos klingt – einfach so wie sie ist. Nicht zu viel Aufhebens,” erklärt sie und nennt den Titel „All Eyes On You” als ihren persönlichen Favoriten bezüglich Sound und Feeling.

EINFACHE, ZEITLOSE MUSIK

Sie veröffentlichte die EP „Skisser” („Skizzen”), die so heißt, weil es Skizzen waren. Intime, zu Hause in ihrem Schafzimmer aufgenommene Lieder, die eigentlich nicht dafür gedacht waren, einmal von der ganzen Welt gehört zu werden.

Aber sie erreichten die Ohren eines überwältigten Publikums, und die EP wurde hochgelobt vom „The Guardian” und dem „Interview Magazine”.

Selbst gemachte ehrliche Musik
Der Rest ist bereits Geschichte. Als wir mit ihr sprechen, ist Alice Boman auf Konzert- und PR-Tour in den USA. Wir sind in Los Angeles und sitzen an einem sonnigen Morgen vor einem Café am Sunset Boulevard, irgendwelche alte Musik spielt im Hintergrund, Autos fahren vorbei, die Leute drumherum frühstücken im Schatten.

Warum sind diese intimen Analogaufnahmen so eindringlich?

„Ich denke, oft ist es die Atmosphäre eines Songs. Musik, die sich echt anfühlt oder Musik, mit der ich etwas in Verbindung bringe, das mich berührt. Vielleicht ist es das. Die Leute können sich in das hineinversetzen, was ich singe.

In anderen Worten: Einfachheit ist ein Schlüsselwort für Alice Boman. Sie sagt – einfach und geradeaus: „Meine Texte sind recht einfach und lassen nicht viel Raum für Interpretationen. Vielleicht braucht man auch keine weitere Beschreibungen. Ohnehin mag ich es, wenn die Musik und die Texte für sich selbst sprechen.”

Große Songwriter
Als ich sie nach ihren drei Lieblingstiteln frage, die sie gern selbst geschrieben hätte, antwortet sie ohne lange zu überlegen und etwas melancholisch: „If I Needed You” (Townes van Zandt), „Videotape” (Radiohead) und „If You See Her Say Hello” (Bob Dylan). „Diese drei sind wunderbar, einfach tolle Songs”, sagt sie.

Künstler wie diese inspirieren sie auch beim Schreiben neuer Musik: „Oft drängt es mich regelrecht dazu, etwas zu schreiben und zu singen, wenn ich etwas gesehen, gehört oder gelesen habe, was mich berührte. Manchmal muss ich mir mitten in einem Film oder beim Lesen eines Buchs Stift und Papier nehmen und etwas finden, worauf ich spielen kann.

Auch wenn ich unterwegs bin, inspirieren mich manche Orte, etwas zu schreiben. Es ist etwas ganz Besonderes, unterwegs zu sein. Große Songwriter wie Bob Dylan, Leonard Cohen und andere inspirieren mich genauso. Oder kurz gesagt: gute Songs. Musik, die sich echt anfühlt und die dich immer erreicht.”

Überwältigende Möglichkeiten
Sie schätzt aber auch die heutigen Möglichkeiten mit digitaler Musik, Streaming, Social Media und YouTube.

„Ich finde es großartig, wie einfach es heute ist, mit vielen anderen Leuten in Kontakt zu kommen. Oder dass man zumindest die Möglichkeiten dazu hat. Das ist schon überwältigend.

Das gilt genauso für die Musikszene. Man hat das Gefühl, die Leute können machen, was sie möchten. Es herrscht eine sehr tolerante und offene Atmosphäre. Es gibt so viel Musik da draußen. Ich muss nicht immer auf dem neuesten Stand sein. Ich höre viel mehr ältere Musik als aktuelle,” sagt Alice Boman.

Heute sitzt sie am Sunset Boulevard in den Staaten, um ihre gefühlvolle Musik zu spielen und zu promoten. Und schon bald, Anfang Juni, wird ihre zweite EP erscheinen. Im Sommer tritt sie dann bei einigen Festivals auf, vor allem in Großbritannien. Anschließend wird hoffentlich wieder Zeit sein, um neue Songs zu schreiben und aufzunehmen. „Das ist doch alles ziemlich aufregend, oder?”, beendet sie unser Gespräch. Es läuft gerade ganz gut für Alice Boman.


- Rune H. Jensen, rhj@dali.dk

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