PETER MORÉN

Peter Morén ist vor allem in seinem Heimatland Schweden als Gitarrist der Band Peter Bjorn And John bekannt. Vor einiger Zeit startete er zudem eine erfolgreiche Solo-Karriere. Bis jetzt veröffentlichte er drei Alben, das letzte aus dem Jahr 2012 heißt "Pyramiden". Wir baten ihn, bei einem Cappuccino in einem Stockholmer Café einmal den Unterschied zwischen seiner Band- und Solo-Karriere zu beschreiben.

ICH BIN PETER MORÉN BIS ICH STERBE

„Meine Soloalben bieten mir die Gelegenheit, mit Ideen, Sounds und Songs zu experimentieren ¬– und in jeder Hinsicht das letzte Wort zu haben: Ich bin mein eigener Boss und in jeder Hinsicht aufgeschlossen für Texte und Musikstile – alles ist möglich, solange ich ein gutes Bauchgefühl habe.

Ein Komponist für Popsongs
Während Peter Bjorn And John eine demokratische Drei-Mann-Band ist, brauche ich auch die Möglichkeit und Freiheit, um eigene Entscheidungen umzusetzen und meine Ideen auszudrücken. Dabei geht es natürlich nicht um verrückte, unhörbare Musik. Ich komponiere Popsongs – und das möchte ich gern mit beiden Projekten umsetzen.

Es mag sich vielleicht in der Zukunft noch ändern, aber heute stehe ich auf melodische Popmusik mit interessanten Arrangements. Popsongs bedienen ein so weites Feld, von Folk-Pop bis Techno! Ich verstehe meine Musik zudem nicht als halbherzige Nebensache, sondern als sehr seriöses Projekt, das sich in der Zukunft hoffentlich noch weiterentwickeln wird.

Natürlich verdiene ich mit der Band meinen Lebensunterhalt, aber das Solo-Projekt ist mir aus künstlerischer Sicht genauso wichtig (wenn nicht manchmal sogar wichtiger). Außerdem ist eine Band immer eine Band, aber Peter Morén werde ich sein, bis ich sterbe, daran wird sich nichts ändern."

Das neue Album
Zeigt sich das auch auf deinem aktuellen Album?

„Das letzte Album ist mein bisher am weitesten entwickelte Album, besonders in Hinblick auf die Produktion. Wir haben viel an den Aufnahmen gefeilt, und es kommen im Vergleich zu meinem ersten Album, das weitestgehend zu Hause eingespielt wurde, eine Vielzahl von Musikern, Toningenieuren und Studios zum Einsatz.

Es ist auch mein elektrischstes Album bislang. Die Aufnahmen zogen sich über eine lange Zeit hin und wurden beeinflusst durch den Soul, Folk und Rock’n’Roll aus “I spåren av tåren”, genauso wie die Folk-Jazz-Athmosphäre von “The Last Tycoon” und die offensichtlichen Indie-Power-Pop-Wurzeln von Peter Bjorn And John.

Daher dürfte es das Beste von allem sein, was Peter Morén ausmacht. Die Texte sind sicher meine bislang negativsten, politischsten und selbstkritischsten, aber es gibt ja auch einige positive Liebeslieder auf dem Album. Die Aufnahmen begannen meistens mit Live-Takes mit mir am Bass, einem Schlagzeuger und dem Keyboarder, später fügten wir Overdubs hinzu, ergänzten und änderten Einiges rund um die Basisstruktur der Songs.“

Seine eigenen Favoriten
Wenn du einige Songs hervorheben solltest, welche würden das sein?

„Meine beiden Favoriten vom aktuellen Album sind der Opener “Erik M. Nilson” und der Sonnenschein-Regen-Pop von “Capri, Cannes & Brighton”. “Erik M. Nilson” ist einerseits ein Tribut an einen schwedischen Dokumentarfilmer, den ich sehr mag. Andererseits ist es auch ein Lied übers Faulsein und das Gefühl, nicht viel zu tun. Es ist überhaupt eine meiner absoluten Lieblingsmelodien und Kompositionen! Es fühlt sich an wie ein Klassiker! Ich mag den Sound, er klingt wie das winterliche Stockholm. Natürlich erinnert der Song an den verträumten, etwas psychodelischen Sound des frühen Bowie, der Zombies und John Lennon – aber HEY! – man könnte auch schlechtere Einflüsse haben!

‚Capri, Cannes & Brighton’ schrieb ich während meiner Flitterwochen in Italien, Es handelt von der Sehnsucht nach Melancholie und wie Schönheit eine Menge Faules verdecken kann; wirklich nichts Eindimensionales! Wir wollten ein sommerliches Gefühl wecken, einen Spätsommer kurz vor dem trüben Herbst, und wählten als Grundlage Gitarren-Harmonien über einem swingenden Schlagzeug. Als Sahnehäubchen gab’s dazu Harfe, Flöte und durch Band-Delay mit Effekten versehene Zither- und Gitarrentöne. Ein Song mit verschwommenen und verträumten Gefühlen! Ich liebe ihn! Er ist zugleich glücklich und traurig wie das Tim Buckley-Album!! Alle guten Pop-Songs sollten beide Seiten berücksichtigen – nichts ist eindimensional, wie ich schon sagte!"

Metapop
Das Video für den Song “Odyssén” aus deinem 2012er Album „Pyramiden“ lässt sich weiter unten im Rahmen dieses Interviews anschauen. Bitte erzähle uns etwas über die Entstehung dieses Lieds von der Komposition bis zur Aufnahme und dem Videodreh.

„’Odyssén’ ist ein Song, der mich schon längere Zeit beschäftigte. Ich schrieb die Musik zusammen mit einem befreundeten Songwriter und Produzenten namens Peter Ågren, einem von mehreren Sängern der Band The Amplifetes. Zuerst hatte das Stück einen englischen Text zum selben Thema, nämlich der Hass-Liebe-Beziehung, die ich mit der Popmusik und Musikindustrie habe.

Es ist ein einprägsamer Popsong über Skepsis an der Popmusik, den ich ganz lustig finde, Meta-Pop! Zuerst dachte ich, es wäre ein passender Song für Peter Bjorn And John, dann kam mir aber die Idee für den schwedischen Text und ich entschied mich, das Stück für mein Soloalbum zu reservieren.

Bei der Aufnahme benutzen wir viele der Ideen und auch einige der Sounds vom Demo, das ich mit Peter gemacht hatte. Aber ich ersetzte Synthesizer und Drum-Machines durch Pianos, Gitarren und ein Schlagzeug.

Ich mag all die kleinen Rhythmen und Riffs, die zur gleichen Zeit weitergehen. Ich glaube, der Song ist ganz gut arrangiert. Wie bei den meisten Aufnahmen, die zusammen mit meinem Co-Produzenten Tobias Fröberg entstanden sind, spielten wir mit Band-Delays, was gut zu hören ist.

Bei der Videoproduktion arbeitete ich mit einigen besonders kreativen Freunden zusammen. Wir wollten ein Video mit möglichst viel Energie, einer Menge Bewegung und Farben, um auf humorvolle Weise das Thema ‚Pop’ aus dem Text umzusetzen. Wir nutzten die aus den frühen MTV-Jahren bekannte Green-Screen-Technik, um einen Bezug zu den 80er Jahre zu setzen, was gut zum Song passt.

Eine Inspiration war Paul McCartneys großartiger Clip für ‚Coming Up’, in dem er die verschiedenen Charaktere seiner Bigband, die jeweils unterschiedliche musikalische ‚Bilder’ repräsentieren, selbst spielt.

Ich habe diese Idee für meine kleinere Band mit einem Punk-Bassisten, einem Mod-Gitarristen, einem Hippie-Organisten und einem Schüler/Jazz-Schlagzeuger geklaut. Bei allen Charakteren fühle ich eine Verwandtschaft mit mir. Für die ‚Tanz’-Szene am Ende fragten wir einige Freunde und andere Leute, ob sie mitmachen wollen, und entwickelten eine einfache Choreographie. Ziel war es, ein Spaß-Video zu drehen, das man sich immer wieder gern noch einmal ansieht. Ich glaube, das haben wir hinbekommen."

SOUND MIT QUALITÄT – SOLANGE ES NICHT LANGWEILIG WIRD!
Was inspiriert dich, wenn du neue Musik komponierst? Und welche Art von Musik hat dich inspiriert?

- Sobald mich ein Song anspricht, möchte ich etwas Ähnliches machen. Aber das klingt am Ende dann selbstverständlich meistens nach mir. Ich habe eine bestimmte melodische DNA, die durch alles durchgeht.

- Aber ich experimentiere auch gern mit verschiedenen Genres und Stilrichtungen. Meistens beende ich die Arbeit an einem Song, wenn ich eine Idee für den Text habe, die ich umsetzen möchte. Nur ein Riff oder eine Tonfolge reichen mir nicht, um ein Lied daraus zu machen. Ich brauche die textliche Inspiration um etwas abzuschließen. In diesem Sinn sind die aktuellen Nachrichten, Spielfilme, mein Alltag und die Leute, die ich treffe, genauso wichtig wie alle Musiker.

Peter Morén erwähnt die Beatles und ihren Eklektizismus als frühe Inspiration in seinem Leben. Seitdem inspirierten ihn der Disco-Sound der 70er Jahre, ältere R&B-Stücke, Folk-Rock sowie brasilianische und afrikanische Musik:

- Vor kurzem fand ich auch zu meinen Wurzeln des Gitarrenrock, New Wave und Power-Pop-Indie aus den 70ern bis zu den frühen 90ern zurück. Und ich beschäftige mich mit alten Lieblingssongs und Alben, die ich früher verpasst habe – wie die von den Kinks aus den späten 70ern und 80ern oder McCartneys Solowerk. Musik, die oft verkannt wird, aber super ist!

- Auch moderne Soulmusik und Indie gefallen mir. Die einzigen Musikstile, mit denen ich nie etwas anfangen konnte, sind Metal, Progressive Rock und Hardcore Dance Music, aber es ist wohl nur eine Frage der Zeit, sagt Peter Morén.

Was guter Klang und gute Musik sind
Als Sound- und Lautsprecherfans fragten wir Peter natürlich auch nach seiner Sicht zu gutem Klang und Lautsprechern:

- Ich mag Musik in HiFi-Qualität und sehr guten Sound. Aber manchmal gefällt mir auch so richtig schlechtes “Lo-Fi”. Das hängt meistens davon ab, in welcher Stimmung ich gerade bin, wovon der Song handelt und in welchem Kontext ich ihn höre.

- Solange es nicht langweilig wird, ist alles gut. Aber das ist natürlich sehr subjektiv. Ich mag Musik aus jeder Zeit, weil sie immer bestimmte unterschiedliche Qualitäten hat. Aber wenn man nach besonders natürlich klingender, HiFi-gerechter Musik sucht, ist es wahrscheinlich die zwischen 1976 und 1982 produzierte.

- Es gibt eine Menge gut klingende neue Musik, aber sie wird oft zu Tode komprimiert, bis der Klang völlig zerstört ist und nicht mehr atmen kann.

- Ich besitze ein ziemlich gutes HiFi-System, aber frag mich nicht, von welcher Marke es ist. Es ist schon verrückt, welchen Aufwand man heute betreibt, um gut klingende Musik zu produzieren, die sich die Leute dann mit billigen Kopfhörern, am Computer oder übers Telefon anhören.

- Dabei gehen natürlich eine Menge Dimensionen verloren. Ich glaube sogar, dass sich manche Produzenten bei ihrer Arbeit bedauerlicherweise schon gar nicht mehr sonderlich auf subtile Details konzentrieren, weil sie denken, dass später sowieso kaum jemand darauf achten wird, erklärt Peter Morén.

Der beste Weg um Musik zu genießen
Du veröffentlichst deine Musik sowohl auf LP als auch auf CD sowie auf den Streaming-Portalen wie Spotify. Was denkst du als Musiker über die digitale Evolution?

- Wenn es ums Musikhören geht, bin ich sehr altmodisch. Ich nutze natürlich auch intensiv Musikdaten, vor allem wenn ich unterwegs bin. Ich liebe es, Playlists zusammenzustellen, und Spotify eignet sich natürlich hervorragend als Referenz-Datenbank während der Arbeit und Aufnahmen sowie zum Kennenlernen von neuer Musik.

- Zuhause höre ich aber ausschließlich LPs oder CDs. Ich mag das ganze Paket, das du mit einem Album bekommst. Man kann es anfassen, es gibt ein Cover und ich kann die Ideen nachvollziehen, die der Künstler für die Titelfolge und Präsentation seiner Musik hatte. Zudem klingt’s natürlich auch besser. Ich denke, das ist die beste Möglichkeit, Musik zu hören. Es sei denn, sie ist live.

Dein Soloalbum aus dem Jahr 2008, “The Last Tycoon”, ist in Englisch, während du auf deinem 2010er Album “I Spåren Av Tåren” und dem neuen Album “Pyramiden” in deiner Heimatsprache Schwedisch singst. Was hat dich zu dieser Veränderung der Sprache veranlasst?

- Der Wechsel ergab sich dank eines glücklichen Zufalls. Ich beschäftigte mich gerade mit einer schwedischen Idee für einen Song und hatte dann die Eingebung, so weiterzumachen. Jetzt betrachte ich Schwedisch als meine hauptsächliche musikalische Sprache.

- Ich habe das Gefühl, mich viel besser ausdrücken zu können, wenn ich die richtigen Worte benutze. Mit meiner Sprache kenne ich mich dann doch besser aus als in Englisch. So finde ich leichter die passenden Worte und kann mit ihnen spielen, sagt Peter Morén.

- Ich singe nun auch über Themen wie Politik, Geschichte und schwedische Kultur, was ich in Englisch niemals so gut könnte. Aber vielleicht gibt es auch nochmal ein englisches Soloalbum von mir, zumal ja der Großteil meines Publikums nicht aus Schweden stammt. Aber es fällt mir nicht so leicht, auf Englisch ähnlich gute Texte abzuliefern wie in Schwedisch. Ich möchte originelle Texte schreiben und bin besonders selbstkritisch.

- Vielleicht ist es der richtige Weg, meine Lieder künftig in Schwedisch zu schreiben und und sie dann zu übersetzen, um passgenaue und spielerische englische Texte zu bekommen. Ich glaube nicht, dass Schwedisch eine zu steife Sprache ist zum Singen. Ich finde sie sogar ziemlich sexy. Zumindest liegt sie mir näher und sollte daher sexier klingen, lacht Peter Morén.

Mehr gute Musik, vergessene Talente - und mehr Schrott
Was denkst du über die heutige musikalische Szene?

- Sie ist überaus vielseitig und sehr groß, weshalb es unmöglich ist, alles im Überblick zu behalten. Da heute mehr Musik veröffentlicht wird als je zuvor, bin ich mir aber sicher, dass es sowohl mehr gute Musik, gleichzeitig aber auch mehr Schrott gibt.

- Ich bin mir sicher, dass viele hochtalentierte Leute nicht ernst genommen oder übersehen werden, weil sie nicht am lautesten schreien, keine spitzen Ellbogen einsetzen, keine Eltern mit guten Beziehungen haben oder spontan keinen offensichtlichen Hit abliefern.

- Ich finde es auch nicht richtig, dass sich die Medien heute meist nicht allzu viel Mühe insbesondere mit der Beschreibung von Popmusik geben.

- So sind viele der heutigen “Hits” manchmal so einfach gestrickt, dass man sie als lästig empfindet – gerade so, das würden sie die Intelligenz der Hörer unterschätzen. Ich meine hiermit aber nur die wirklich kommerzielle Popmusik.

- Natürlich höre ich auch viel kommerzielle Musik, weshalb ich mich auf keinen klaren Standpunkt festlege. Ich denke, die beste Popmusik entsteht in der zwischen künstlerisch wertvoll und kommerziell angesiedelten Grauzone.

2013-14
Im Moment arbeiten Peter Morén und seine Band Peter Bjorn and John an ihrem neuen, dem siebten Album. Zudem tritt Peter mit seinem Soloprogramm auf, und im nächsten Jahr geht er wahrscheinlich wieder mit Peter Bjorn and John auf Tour.

- Außerdem freut er sich darüber, als Studiomusiker für andere Künstler gebucht zu werden - und versucht so oft wie möglich, neue Songs zu schreiben, betont Peter Morén.

Schließlich fuhr Peter Morén mit der Stockholmer U-Bahn nach Hause und beendete das Interview in seiner gemütlichen Wohnung mit zahlreichen um ihn herumstehenden brennenden Kerzen. Und auf der HiFi-Anlage liefen The Smiths und Aztec Camera.

Mehr über Peter Morén findest du in seinem Facebook-Account und der Website: www.petermoren.com.

 
- Rune H. Jensen, rhj@dali.dk

 

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