JEFFREY LEWIS

Jeffrey Lewis repräsentiert die seltene Kombination eines Musikers und Comiczeichners in einer Person. Er wurde bereits mit Bob Dylans lyrischen Fähigkeiten verglichen, das Magazin Rolling Stone findet ihn ausgesprochen inspirierend und Jarvis Cocker von Pulp hält ihn für “den besten heute in den USA tätigen Lyriker”. Wir sprachen mit ihm über Musik und so genannten guten Klang, während er an einem verschneiten Frühlingstag in seinem New Yorker Wohnzimmer saß.

MUSIK, COMICS UND WEISSE SEITEN

Der schnell sprechende und singende 38jährige New Yorker ist in keiner Hinsicht traditionell. Das gilt auch für seine Ansichten zum Thema „guter Klang“. Aber zuerst: Wo sieht er sich selbst in der Musikszene als kombinierter Musiker und Comiczeichner?

- Ich stehe etwas abseits von beiden Szenen. Ich fühle mich weder vollkommen der Musikszene noch der Comicszene zugehörig – ich stecke dazwischen, erklärt Jeffrey Lewis.
- In all den Jahren, die ich jetzt aktiv bin, habe ich noch keine andere Band gesehen, die etwas Ähnliches wie meine Gruppe macht – das ist doch gut! Wir sind die Besten in diesem Bereich! Wir sind die Einzigen!

- Ich glaube, dass 99,2% aller Bands von der Erdoberfläche verschwinden könnten, ohne dass es Auswirkungen auf die Musik- und Kulturszene geben würde. Die durchschnittliche Band ist austauschbar mit der nächsten; aber meine Band ist anders. Nicht jeder wird uns lieben, aber wenn es uns einmal nicht mehr geben wird, gibt es niemanden, der unseren Platz einnehmen wird.

Nur gute Songs sind von Bedeutung
Jeffrey Lewis ist nicht traditionell und steht zu seinen Überzeugungen. Als wir über so genannten „guten“ Klang aus Sicht eines kreativen Songschreibers sprechen, überrascht er mit dieser Aussage:

- Ich glaube, "gut" ist normalerweise der Feind von echter Qualität. Du kannst dich hinter einer „guten“ Ausrüstung, einer "guten" Gitarre, "guten" Aufnahmen, "guten" Verstärkern und Lautsprechern und was auch immer verstecken, aber nichts von alledem beschreibt, welchen Wert es für dich oder jemand anderen hat, sagt Jeffrey Lewis.

- Mit keinem Geld kannst du dir Zeit kaufen. Das ist sehr frustrierend. Wenn du Geld hast, hilft es dir nicht weiter. Der leeren Seite ist es egal. Die leere Seite fordert dich heraus. Die leere Seite interessiert sich nicht für deine Lautsprecher oder Monitore. Und das Publikum auch nicht, in ihren Herzen, wenn sie welche haben.

- Es ist nur dein Herz und das des Zuhörers, mit einer leeren Seite zwischen euch. Das ist der Ort, wo du eine Möglichkeit für ein Treffen hast und das Leben lebenswert machen kannst. Wenn du Angst bekommst beim Gedanken "vielleicht muss ich mehr Geld für eine schönere Gitarre ausgeben" oder einer ähnlich dummen Idee, nur um dich vom wirklichen Kampf abzulenken.

- Aber wenn du einen guten Song hast, ist nichts anderes von Bedeutung. Und hast du keinen guten Song, hilft dir nichts mehr weiter, meint Jeffrey Lewis.

Zwischen Lou Reed und Daniel Clowes
Er hat ein großes Bild von Lou Reeds zerknittertem Gesicht zu Hasue, das ihn von der Wand anstarrt. Von der gegenüber liegenden Wand schaut ihn Daniel Clowes an, ein amerikanischer Cartoonist und Drehbuchautor. Beide sind nur schwer zufriedenzustellen, sagt er, und er steht zwischen ihnen und “möchte sie nicht enttäuschen”.

Jeffrey Lewis schreibt keine stereotypen Lieder mit einer traditionellen Struktur oder Dynamik. Warum?

- Normalerweise schreibe ich einen Song zu Hause und nehme ihn dann mit zur Probe. Und wir spielen ihn noch am selben Abend oder die nächsten Abende auf der Bühne, um ihn so schnell wie möglich fertig zu bekommen. Das hilft mir zu erkennen, was funktioniert und was nicht. Das lässt sich definitiv nur feststellen, wenn man einen Song auf der Bühne spielt, glaube ich.

- Ich weiß nicht, wie man Songs schreibt. Das tägliche Leben liefert mir auch nicht mehr Input als es bei allen anderen Liedermacher der Fall ist. Ja, manches Material kommt aus meinem Leben, aber auch nicht mehr als Pink Floyd oder Neil Young aus ihren Leben verarbeiteten, sagt Jeffrey Lewis.

Die nächste Seite ist immer weiß
Er ist sich nicht so sicher, was als nächstes in seiner Karriere als Musiker und Comiczeichner passiert. Er denkt immer, dass er fertig ist, weil die nächste Seite stets weiß ist.

- Aber an diesem Punkt habe ich schon so oft in der Vergangenheit gedacht, dass ich fertig sei. Ich erinnere mich deutlich an mehrere kreative Konkurse in den Jahren 1999, 2000 und 2001. Grundsätzlich gilt das für jeden Punkt in meinem Leben.

- Und doch betrog ich irgendwie und mordete und schlich und stach und stolperte und weinte und fand mich selbst wieder auf einer Welle totalen artistischen Erfolgs reiten. Was ich vorhatte und tat, machte mich so glücklich, sagt er.

Kreativität ist eine Droge
Er findet kreative Dinge, die wie eine Droge wirken mit enormen Höhen und Tiefen. Ein emotionales Problem mit Glücksspielen, und ich bin süchtig danach. Auch wenn er nicht glaubt, es wieder zu tun, wird er es wahrscheinlich machen.

- Gerade ist mein neues Album erschienen: “Jeffrey Lewis & The Jrams”. Aufnahmen, Abmischen und Mastern geschah alles an einem Tag. Ich habe 1.000 Kopien gemacht und verkaufe sie auf Tour und über meine Website.

- Wenn ich alle verkauft habe, weiß ich nicht, ob ich weitere Kopien ziehe oder weiter an den Aufnahmen arbeite, um ein offizielleres Album daraus zu machen. Zudem habe ich gerade “Fuff#9” in meiner Comicserie veröffentlicht. Zurzeit illustriere ich gerade ein Musikvideo für den belgischen Sänger Milow.

Eines Tages zu einer Zeit
Jeffrey Lewis sitzt in seinem Wohnzimmer in New York City, als wir mit ihm sprechen. Draußen schneit es. Es stehen noch Snacks und Bierflaschen vom letzten Abend herum – denn einmal in der Woche lädt er verschiedenen Künstler ein, um abzuhöängen, etwas zu zeichnen, Musik zu hören und sich auszutauschen. Als nächstes ist somit Aufräumen an der Tagespordnung.

- Ich höre heute alle meine Spirit-LPs. Niemand erinnert sich an die Band Spirit aus den 60er Jahren, und auch ich weiß wirklich nicht sonderlich viel über sie. Aber ich besitze ihre ersten vier LPs, die habe ich mir über die Jahre irgendwie zusammengekauft. Und auf jedem Album sind ein paar gute Songs, erklärt er.

- Dass ich schon eine richtige Kollektion von Spirit-Alben habe, war mir gar nicht bewusst – jetzt möchte ich sie auch alle nochmals anhören. Daher muss ich jetzt von dieser Couch aufstehen und die Platte umdrehen.

www.thejeffreylewissite.com

- Rune H. Jensen, rhj@dali.dk

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